Kleiner Zwischenbericht!
11. November 2006
MyselfOrginalbeitrag vom ehemaligem Ko-Autor Andi:
Hallöchen!
Ich konnte – wie ihr seht – leider nicht mein Versprechen einhalten, jede Woche von meinen Erlebnissen berichten. Andererseits bin ich auch der festen Ansicht, dass Euch das gar nicht so unglaublich interessiert. Das befreit mich aus der misslichen Lagen, mich bei Euch entschuldigen zu müssen.
Nichtsdestotrotz habe ich vor, ein paar wichtige Erlebnisse nachzureichen. Ich hatte bisher genau einen ganz besch***enen Tag. Würde ich ein Buch darüber schreiben, hieße der Titel
Armageddon
Oder: Der Tag, an dem Andi mal gar nicht klar kam
Unter diesem Motto schien mein heutiger Tag zu stehen. Es fing damit an, dass ich beim Aufstehen ein flaues Gefühl in der Magengegend verspürte, denn auf dem Dienstplan standen heute die drei bedeutungsschwangeren Buchstaben: „PFT“
Diese – auf dem ersten Blick – unscheinbare Buchstabenkombination – bedeutet nichts anderes als „Physical Fitness – Test“ oder auf Deutsch „Test der Körperfitness“. Militärisch kann man das natürlich auch so sehen: „Den Körper an die absolute Leistungsgrenze bringen, damit die Ausbilder sehen, ob man gegen den gemeinen Russen bestehen kann oder doch lieber hätte Zivi werden sollen.
Nach dem Marsch (ja, im Gleichschritt!) zum Frühstück, musste ich michin der UvD-Stube melden. Ich war nämlich zu allem Überfluss zum GvD – Dienst eingeteilt worden. GvD bedeutet „Gefreiter vom Dienst“. Wenn man als GvD eingeteilt ist, muss man in siner Freizeit quasi Pförtner im Kompaniegebäude spielen. Man hat genau 24 Stunden (von 0645 morgens bis 0645 des folgenden Tages) die Aufgabe, Ansprechpartner für Rekruten zu sein, ans Telefon zu gehen, das Licht zu löschen, dafür zu sorgen, dass auch alle Heia machen und torkelnden Feldwebeln des Nachts die Tür zu öffnen.
Nachdem ich mich dann zum Dienst gemeldet hatte, musste ich auch schon wieder im wunderbaren, blauen Bundeswehr-Sportanzug mit dem Zug vor dem Kompaniegebäude antreten. Wenn man GvD ist, muss man nämlich trotzdem das restliche Tagesporgramm absolvieren. Das alleine machte aus einen anfänglich doofen, einen relativ schlechten Tag.
Also ging es um 9 Uhr im Gleichschritt zum PFT. Man legte seine Trainingsjacke im Umkleideraum ab (samt Schlüsseln). In einer Halle gab es 4 Übungen:
- 40 Sekunden Zeit, so viele Sit-Ups wie möglich. Andi schaffte 41. Fand der Ausbilder gut.
- Auf einer Matte so weit springen wie möglich. Andi schaffte 2,30 Meter. Der Ausbilder hielt das für Durchschnitt.
- Pendellauf: Man musste 4 mal zwischen 2 Linien entlanghetzten… Andi schaffte 8,7 Sekunden. Der Ausbilder lächelte vielsagend.
- 40 Sekunden Zeit, so viele Bw-Liegestütze (die sehen aus, wie ein Wal, der gestrandet ist und mit den Flossen schlägt) wie möglich. Andi schaffte 19. Erbärmlich, fand der Ausbilder.
Na ja, ich fand, dass es ganz gut lief. Wir gingen in die Umkleidekabine, um die Jacken wieder anzuziehen. Dann gings auf die Tartanbahn. Es galt, 12 Minuten zu laufen und so weit wie möglich zu kommen. Ich fing locker an, lief also relativ weit hinten. Komischerweise überholte ich aber immer mehr Kameraden, ohne schneller zu werden. Vielen ging nämlich die Puste aus. Ich versuchte ein paar, anzuschieben und zu motivieren, der Erfolg blieb jedoch aus. Nun gut, jedenfalls hab ich 6 Runden geschafft und ich konnte noch stehen ohne zu hyperventilieren.
Leider musste ich danach sofort wieder zur UvD-Stube sprinten. Dieser riet mir, mich erstmal zu duschen. Das sei für uns beide von Vorteil. Also rannte ich hoch in meine Stube, um meine Duschsachen aus dem Spint zu holen. Erstaunt fragte ich mich, warum ein komischer Putzspint auf einmal in unserer Stube stand und auf meinem Bett eine komische Decke lag. Dann packte ich in meine Jackentasche, um meinen Schlüssel rauszuholen.
Panik!
Die Reißverschlusstasche war offen und der Schlüssel weg. So viel zum Thema „Deutsche Qualität“. Ich schmiss meine Feldjacke (die über der Sportjacke war) auf den Zimmertisch und lief wieder zur UvD-Stube. Ich musste mich dann beim Oberfeldwebel melden, der mich nochmal auf die Sportbahn schickte (gut 1 km), um meinen Schlüssel zu suchen. Ich lief also nochmal um die ganze Bahn ( 2 x, mit Rückweg gut 1,8 km). Ich fand etwas. Allerdings keine Schlüssel, sondern Hallenschuhe in weiß.
Ich musste mich dann in der Kaserne beim Hauptfeldwebel ( das ist der übern Oberfeldwebel ) melden, der mir netterweise nach Durchführung einer kleinen pädagogischen Maßnahme den Ersatzschlüssel gab.
Also ab zurück in meine Stube, die Duschsachen geholt, geduscht und umgezogen. Ich wunderte mich nur nebenbei, dass der Putzspint wieder verschwunden war, ebenso wie meine Jacke. Aber dieser Gedanke wurde alsbald in eine tiefe Ecke meines Daseins geschoben und untern vielen weiteren kleinen Unsinnigkeiten des Lebens begraben. Wahrscheinlich hatten meine Kameraden meine Jacke gefunden und schnell in ihren Spint verpackt. Denn wenn ein Ausbilder Sachen rumliegen sieht, packt er die immer schnell ein und man muss sie sich beim Chef wiederholen. Und das ist nie ein schönes Erlebnis.
Der UvD schickte mich dann zum Verpflegen (auf Deutsch: „Essen“). Da ich meine Jacke und somit mein Geld nicht finden konnte, musste ich mir etwas leihen.Nach dem Essen stand der ganze Zug vorm Hörsaalgebäude und wartete auf Einlass. Auf einmal kam ein Gefreiter auf einem Fahrrad (lustiger Anblick) aus einem Weg geschossen und lies mich ausrufen. Ich solle doch zum Hauptmann (Big Boss), dort vorstellig werden.
Ich stand ungefähr 30 Minuten im Stillgestanden vor dem Büro des Hauptmanns und verstand erstmal gar nichts mehr. Da wurde mir klar: „Heute ist ein absoluter Scheißtag.“ Ich stand da also und wollte am liebsten rausspazieren und nie mehr Soldat sein.
Im Büro standen schon 6 Kameraden. Der Hauptmann fragte mich, ob ich etwas vermissen würde. Ich erzählte kurz meinen bisherigen Tag und deutete an, dass ich mittags kein Geld gefunden habe. Daraufhin fassten sich alle Anwesenden synchron an den Kopf und ich wurde Zeuge eines Monologs zwischen dem Hauptmann und mir. In diesem Moment schwebte nämlich meine Seele über dem Körper und ich bekam alles von oben mit, so unwirklich nahm ich alles wahr.
Der Hauptmann gab mir meine Geldbörse zurück… und eine Auflösung, warum ich da stand.
Ich hatte versehentlich morgens nach dem PFT eine Treppe zu wenig genommen und war in eine Stube gelatscht, die direkt ein Stockwerk unter der meinen lag. Daher der Putzspint und die komische Decke. Nichtsahnend hatte ich meine Sachen auf den Tisch abgelegt und hatte diese natürlich in meinem richtigen Zimmer nicht wiedergefunden.
Und das alles nur wegen einem Schlüssel.
Na ja, es war dann auch bald 1600 Uhr. Alle hatten frei, nur der Andi musste noch mit einem Kameraden und einem Gefreiten GvD-Dienst schieben. Das läuft Schichtweise ab: 2 schlafen, einer ist wach. Gerade ist es 0403 nachts und ich schreiben, um noch wach zu bleiben und mit dem heutigen Tag klarzukommen, was mir jetzt teilweise sogar gelingt.
Geschlafen habe ich von 2200 Uhr bis 0100 Uhr. Ich muss nun bis 0500 Uhr wachbleiben und dann einen ganz normalen Dienst schieben: d.h. ich darf erst in 18 Stunden wieder heia machen.
ZU allem Überfluss muss ich morgen im San-Bereich Blut abgeben, weil ich wohl komische Werte habe. Das macht den Tag perfekt.
Netterweise hat sich der Hauptfeldwebel um 2000 Uhr zu mir gesetzt und mit mir ein wenig geplaudert. Ein wirklich sehr netter Mensch, der sogar Verständnis für meine Dummheit zeigte. Jetzt muss ich morgen nur noch mein Privatfach aufbrechen, denn der Privatschlüssel ist an dem verlorenen Schlüsselbund. Dann ist die Welt wieder in Ordnung.
Ende
Einen Monat später bekam ich übrigens meine verlorenen Schlüssel samt einer Sportjacke zurück. Eine andere Wurst hatte meine Jacke genommen (aus Versehen) und ich bin mit seiner abgezogen. Also bin ich noch nicht mal wirklich Schuld. Das ändert nicht viel an der Lage, aber es hat mir viel fürs Leben gezeigt: Es kann viel Scheiße passieren, auch wenn man gar nicht mal so viel dazu kann. Und: Wenn man mal wirklich am Arsch ist, geht es auch schnell wieder bergauf. Dafür, dass ich damals echt am Ende war, kann ich jetzt sehr gut drüber lachen.